Texte über Sara Rogenhofers Bilder

Zu den Arbeiten von Sara Rogenhofer

Von Florian Rötzer

Sara Rogenhofer steht in der Tradition von Surrealismus und Expressionismus, vor allem aber in einer Tradition die vor allem durch die Gruppe Cobra aus dem abstrakten Expressionismus und Informel der Nachrkriegszeit eine bunte, phantastische, figurative, mythische und experimentelle Bildwelt entwickelt hat. Künstler dieser Gruppe wie Asger Jorn oder Constant haben ihr Verständnis von Phantasie durchaus auch politisch verstanden und waren an der Situationistischen Internationale beteiligt, die im Vorfeld der 68er Bewegung eine wichtige Rolle spielte. Wie Sie vermutlich wissen, ist diese künstlerische Ausrichtung auch in München im Zusammenhang mit der Cobra mit Künstlergruppen wie Spur oder Geflecht weitergeführt worden. Daraus haben sich Experimente mit kollektiver Malerei ergeben, in der dialogische Prozess in Form von Gemeinschaftsbildern stattfand, um Dimensionen einer sozialen Phantasie zu entwickeln. 1977 hat Sara Rogenhofer schließlich zusammen mit vier anderen Künstlerinnen die Gruppe WeibsBilder gegründet, die mit den Mitteln der expressiven Malerei und von Geminschaftsbildern versucht haben zu erkunden, ob es in dieser bislang weitgehend von Männern beherrschten Ausrichtung auch so etwas wie eine weibliche Imagination gibt. Für die gemeinsame Arbeit an einem Bild durfte dieses natürlich  nicht schon festgelegt sein, so dass jeder nur wie in einem Arbeitsprozess etwas ausführen kann, sondern der Malprozess war ein Experiment mit offenem Ausgang und einer permanenten Kommunikation untereinander und mit den Vorgaben der anderen. Das war natürlich nicht immer einfach, 10 Jahre später hatte sich die kollektive Produktion erschöpft, seitdem arbeitet Sara Rogenhofer alleine, aber durchaus in Fortführung der Ideen, die diesen Experimenten und Ideen zugrunde lag.

Die Bilder von Sara Rogenhofer sind dafür ein exzellentes Beispiel, denn sie entstehen nicht nur aus der Arbeit mit der Materialität und damit auch der Räumlichkeit der Farben, sondern sie sind auch das Ergebnis eines über eine mehr oder weniger lange Zeit sich abspielenden Dialogs zwischen dieser Schicht für Schicht mit körperlichen Gesten auf die Leinwand aufgetragenen Materialität und der Imagination oder Ein-Bildung, die die entstandenen Räume und Gestalten aufgreift und weiter treibt. Flache Medienbilder haben, auch wenn sie Dreidimensionalität simulieren, keine Tiefe, sie sind auf eine Fläche projiziert, das, was sie zeigen, liegt nebeneinander etwa in Form von Pixeln.

Die von Sara Rogenhofer verfolgte Imagination verfährt anders, geht von einem leeren Raum aus, der sich allmählich füllt, in dem die aufgetragenen Farbschichten sich übereinander lagern, ineinander über gehen, aber auch immer wieder den Blick sozusagen auf die Vergangenheit öffnen, auf das, was zurückgeblieben ist und den Anfang gebildet hat. Die Bilder sind keine Umsetzungen oder Projektionen schon zuvor fertiger Ideen, sondern sie entstehen aus einem Prozess, den man mit der geologischen Entwicklung oder der Evolution gleichsetzen kann. Auch hier gibt es kein vorherbestimmtes Ziel, sondern erst durch die Geschichte, in der sich Ablagerungen über einander türmen oder wieder weggewaschen und durch andere Einflüsse geformt werden, entsteht eine Landschaftsformation. Malerei hat also hier gar nichts mit dem traditionellen Bild von Arbeit zu tun, sondern geht von einer Versuchsanordnung aus, in der man vom eigenen Tun überrascht werden kann. Und genau in dem Herstellen dieser Versuchsanordnung, in dem Wissen, wie auf das sich Ergebende reagiert werden muss, um schließlich doch in diesem Prozess des Imaginierens, des Einbildens von Räumen und Gestalten, zu einem guten Ende zu gelangen, liegt die eigentliche Kunst. Für den Betrachter spielt sich der Prozess natürlich anders herum ab. Im besten Fall werden Sie von einem Bild angesprochen, um dann in seine unterschiedlichen Facetten und Vergangenheiten einzutauchen. Auch wenn Sara Rogenhofer am Ende bei einer deutlich umrissenen Figur auf einem manchmal fast einheitlichen Hintergrund landet, so wird von ihr nie zuerst der Hintergrund gemacht und die Figur platt darauf gesetzt. Und wenn man ihre Bilder ein wenig auf sich wirken lässt, dann wird man auch den Sog dieser eigentümlichen Imagination bemerken, die auch wirklich eine Innovation der Moderne ist.

Natürlich wird man die Persönlichkeit von Sara Rogenhofer auf allen ihren Bildern entdecken, aber die experimentelle oder dialogische Vorgehensweise, die Unerwartetes und Überraschendes nicht nur zulässt, sondern auch auf ihr Entstehen setzt, ermöglicht ihr auch eine größere Vielgestaltigkeit der Bildwelt. Manchen mag dies zu sprunghaft erscheinen, ich sehe aber in dem Ausgang von einer tabula rasa, aus der allmählich beim Verfertigen durch Zweisprache und Verdichtung das Bild erwächst, gerade das Spannende und Überzeugende.

Zu den Arbeiten von Sara Rogenhofer

Von Franz Schneider

Monografie in: Kunstforum International, Bd. 170, 2004

Monografie

"Raum-Fahrten" heißt eine Arbeit Sara Rogenhofers von 1989, und dieser Titel mag ein Schlüssel sein für die ungebrochene Aktualität der Malerei, die von vielen immer wieder, zumal in Zeiten massenmedialer Bildwelten, gerne totgesagt wird. Ihrer Malerei gelingt es nämlich, gerade weil sie sich der Mittel elektronischer Bildproduktion versagt, deren Versprechen einzulösen: neue Räume zu erschließen, ja, zunächst einmal Raum im buchstäblichen Sinne überhaupt entstehen zu lassen.

Gegenüber den flachen Bildschirmwelten, die Dreidimensionaliät lediglich simulieren, aber keine Tiefe besitzen, entstehen die Bilder Sara Rogenhofers aus der Arbeit mit der Materialität und damit auch der tatsächlichen Räumlichkeit der Farbe.

Sara Rogenhofer, RaumFahrten,

Raum-Fahrten, 1989

Die Bildelemente werden nicht nur als optischer Reiz dargeboten, sondern lassen den Betrachter das Materielle der Oberfläche erfühlen, regen das Auge immer neu dazu an, das Bild abzutasten und dem Gestaltungsakt, dem Werden des Bildes, nachzuspüren.

In dieser inter-aktiven Weise, in der das Auge das Bild erfährt, kann auch der Malprozess der Künstlerin verstanden werden. Ihre Bilder sind keine Umsetzungen oder Projektionen schon zuvor definierter Ideen; vielmehr handelt es sich um den Versuch einer wirklich konkreten Malerei, die aus der Farbe die Form entwickelt, aus den Farbschichten und -bahnen Zug um Zug ein Bild ausbaut, bis es zu einer überzeugenden und kraftvollen Bildordnung kommt. Dieser Vorgang, bei dem die jeweils untere Malschicht nie vollkommen von der oberen überdeckt wird, erschafft eine Räumlichkeit, die sich nicht nur auf die äußere Wirklichkeit des Bildes bezieht, seinen erfahrbaren physikalischen Raum, sondern auch auf den dem Bild eigenen Ereignisraum. Ständig tauchen Spuren, Räume, Figuren und Geschichten auf, die fortgeführt, ergänzt oder verworfen werden.

Dies geschieht in einem sinnlichen Aneignungsverfahren, ganz autonom aus dem Bild heraus. Der Produktionsprozess ist in hohem Maße in sich reflektiert, weil er immer wieder auf sich selbst Bezug nehmen muss. Sara Rogenhofers Bilder sind das Ergebnis eines über mehr oder weniger lange Zeit sich abspielenden Dialogs zwischen der Schicht für Schicht mit körperlichen Gesten auf die Leinwand aufgetragenen Materialität und der Imagination, die die entstandenen Räume und Gestalten aufgreift und weiter treibt. "Die Unmöglichkeit, irgendwo anzukommen", so ein anderer Titel aus dieser Serie, betont den prozessualen Charakter ihrer Bilder. Ausgangspunkt ist der leere Raum, der sich allmählich füllt, in dem die aufgetragenen Farbflächen und -formen sich verschränken und überlagern, verdichten und vervielfältigen, Neues auftauchen und Vorhergehendes erinnern lassen - bis die Künstlerin den Malakt an entscheidender Stelle abbricht und das Bild für vollendet erklärt; bevor die Formationen beginnen sich zu schließen und ein Zuviel an Bedeutungs- und ein Zuwenig an Möglichkeitsraum entsteht.

So sind Sara Rogenhofers Bilder Seinszustände eines labilen Raumes, der ein Davor und Danach impliziert und eine endgültige, letzte Wahrheit oder einen Allgemeinanspruch verweigert. Ein solcher allgemeiner Raum nämlich, vor einem unbeweglichem Hintergrund und in einem starren Rahmen, wäre, nach Sartre, die Hölle: Er kennt keine Unterbrechungen, keinen Rhythmus, hat nichts Zerbrechliches, und weil er die Zeit zum Stehen bringt, lässt er kein Ereignis mehr zu.

Rogenhofers Bildräume hingegen gehen "aus Gekritzel oder Geschmiere" hervor, "aus einem Nebenbei, einem rhythmischen Spiel", wie die Künstlerin selbst formuliert, und sind eben deshalb in einem steten Spannungszustand zwischen dem Fertigen und dem Möglichen.

Schnittstelle

Indem Sara Rogenhofer ihre Bilder flüssig hält, nehmen diese den Betrachter mit hinein in jenes "Spiel", halten Assoziationsräume offen und lassen ihn teilnehmen an der permanenten Verkettung von Zufällen und Entscheidungen bis hin zur markierenden Einbildung von Wahrnehmungs-, Gedächtnis- und Assoziationssplittern, die sie in einem hoch konzentrierten Akt des Malens aus den Linien und Flächen heraushebt. Und so können die Bilder Sara Rogenhofers etwas beanspruchen, was den virtuellen Bildwelten buchstäblich fehlen muss: Wirklichkeit - sofern man das Reale als die Aktualisierung des Möglichen versteht.

Unter den Bedingungen der Verflüchtigung der Wirklichkeit in ihrer mediatisierten Reproduktion ist der Unterschied oder gar Gegensatz zwischen dem Realen und dem Imaginären zunehmend aus dem Bewusstsein geschwunden. Indem die Künstlerin die Imagination, die Ein-Bildung zum Arbeitsprinzip macht, setzt sie dem schönen Schein des Affirmativen die Realisierung eines je Möglichen entgegen.

In jedem Augenblick des Malprozesses steht die Künstlerin am Trivium der entstehenden Möglichkeiten und trifft ihre je aktuellen Entscheidungen - und wirkt so in ihren Bildern der Trivialisierung unserer Bilder von Welt entgegen.

Zugleich fungieren ihre Bilder gleichsam als Schnittstellen, über die wir unsere eigenen mentalen Bilder mit ins Spiel bringen und neue konstruieren können. Die gewohnte Diktatur des Bildes demokratisiert sich, denn "der Raum ihrer Bilder öffnet sich nicht für einen Blick, sondern für viele Blicke, die gleichzeitig möglich werden."

In diesem Sinne ist es ganz folgerichtig, wenn Sara Rogenhofer die Serie ihrer Bilder ab 1994 unter dem Titel "Schnittstellen" zusammenfasst: "Schnittstelle", das ist in der Wissenschaft eine aktuelle Bezeichnung für den Ort der Herstellung der je eigenen Realität. Diese Schnittstelle wird in uns durch die Sinne in Koppelung mit der Umwelt und dem neuronalen Netzwerk unaufhörlich konstruiert.

Sara Rogenhofer, Eine selbstähnliche Schneeflocke, 1994

Eine selbstähnliche Schneeflocke, 1994

Ähnlichen Prinzipien folgen die Bilder Sara Rogenhofers: Sowohl die figurativen Elemente als auch der Bildraum selbst sind strukturbildend; sie wirken auf einander ein, bedingen sich gegenseitig, entstehen aus einander, verschränken sich und gehen wieder in einander über. Ein dynamisches Geflecht von Objekt und Raum, ein pulsierendes Netz von Bildebenen und daraus erscheinenden Figurationen, die ebenso rasch sich verflüchtigen, fordern einen aktiven Betrachter. Er muss das in seinen Perspektiven ständig kippende, sich einer üblichen hierarchischen Lesart verweigernde Bild permanent neu konstruieren. Dabei sind ihm selbst die stets beigefügten Titel wie "Selbstähnliche Schneeflocke", "Periodische Fenster" oder "Teufelstreppen" keine Lesehilfe; sie führen vielmehr auf einer weiteren Ebene noch eine zusätzliche semantische Perspektive in das Bild ein und können eher als assoziative Notate denn als sinnhafte Festschreibungen verstanden werden.

Wenn die Bilder Sara Rogenhofers dem Betrachter wie hermetische Wesenheiten erscheinen, die ihn durch einen undechiffrierbaren Code außen vorhalten wollten, so rührt dies daher, dass er gewohnt ist vorauszusetzen, dass das Andere auch ohne ihn so ist, wie es erscheint. Dies hält er für objektiv, auch wenn dadurch ein lebendiger Zusammenhang an seiner Grenze zwischen Innen und Außen scheitert. Diese Grenze aber ist in Wahrheit beweglich und frei verschieblich. Wenn er sich den Bildern Sara Rogenhofers öffnet, wenn seine Ansicht zur Einsicht wird, erschließen sich nicht nur neue Räume im Bild. Die Schnittstellen erweisen sich als die momentanen Realitätssplitter unserer Wirklichkeit, der Vorhang zur Welt.

In dieser existentiellen Wahrnehmung geschieht also nicht nur eine Deutungsbewegung, sondern ein aktives Hervorbringen von Welt, ein Erzeugen von Wirklichkeit. So erleuchtet sich prägnant der Satz von Albert Camus: "Wenn die Welt in sich klar wäre, gäbe es die Kunst nicht."

Existentiell sind die Fragestellungen Sara Rogenhofers nicht nur in ihrer bildnerischen Arbeit. Stets ging es ihr auch um die Frage nach dem Machen von Kunst unter aktuellen Bedingungen. So erschienen zahlreiche Veröffentlichungen in Zusammenarbeit mit dem Philosophen Florian Rötzer.

Körper

Einem breiten Kunstpublikum bekannt wurde Sara Rogenhofer bereits als Mitbegründerin des Malkollektivs WeibsBilder, das von 1977- 1988 existierte.

Die WeibsBilder standen in der Tradition der expressionistischen Münchner Gruppen wie Spur oder Kollektiv Herzogstraße. Es ging ihnen aber schon damals nicht um den Automatismus einer gestischen Malerei, die sich letztlich in sich selbst erschöpft. Immer war eine kritische, die eigene Arbeit reflektierende Haltung ein wesentlicher Aspekt ihrer künstlerischen Arbeit, ein Grund, warum auch heute, wo die gestisch-expressionistische Malerei häufig zur reinen Dekoration verkommen ist, die Arbeiten Sara Rogenhofers so aktuell und eigenständig wirken wie eh.

Sie zeigt, dass auch heute die Malerei ein vorzügliches Medium sein kann, um drängenden Fragen der Zeit zu begegnen. Etwa der Frage nach dem Selbst, dem Subjekt, der gefährdeten oder zu schützenden Individualität, welche in einer Zeit scheinbar grenzenloser Machbarkeit heute immer drängender geworden ist. Wie weit ist das Individuum gezielt beeinflussbar oder gar machbar, wo bewahrt es seine Individualität, wo ist die unhintergehbare Grenze zwischen Innen- und Außenwelt?

"Terrestrians"

Terrestrians

In ihrer Serie "Terrestrians" aus den Jahren 1995 bis 1999 lotet Sara Rogenhofer diese Grenze aus. Wie seltsam biomorphe Wesen wirken diese Figuren, auf den ersten Blick scheinen sie unseren Alpträumen oder dem Labor eines skrupellosen Biotechnikers entsprungen: Klone, tierähnliche Lebewesen mit zwei Köpfen, sechs Beinen, Kreuzungen aus Säugetieren und Insekten, mit befremdenden Proportionen und Extremitäten. Sie sind, zumindest in den früheren Bildern, isoliert oder zu kleinen Gruppen auf einem gebrochen-grellfarbigen, in seiner Trübheit und Fahlheit morbiden Grund gemalt und wecken Assoziationen an die Monstrositätenkabinette der naturwissenschaftlichen Museen. Gleichzeitig aber üben diese Wesen eine beinahe sympathische Anziehung auf uns aus, sind uns trotz ihrer Fremdheit seltsam vertraut, so, als seien sie ein Teil von uns selbst. Wie ist das möglich?

Wir alle kennen dieses ambivalente Phänomen: Beim Aufwachen geschieht es uns manchmal, dass wir, mit dem Gesicht auf unserer Hand, unserem Arm, diesen spüren, er uns aber gleichzeitig wie ein fremdes Wesen vorkommt. In diesem kurzen Augenblick der Verwirrung erleben wir in einer alltäglichen Situation die Diskrepanz zwischen innerer und äußerer Wahrnehmung, zwischen dem, was der Körper von außen aufnimmt, und was an Vorstellungen von innen kommt. Im Grunde sind wir solchen ambivalenten Erfahrungen ständig ausgesetzt. Die äußeren Zuschreibungen an unseren Körper divergieren häufig von unseren eigenen Empfindungen, gleichzeitig konstituieren sie sie - und umgekehrt.

Die Erfahrungen des Körpers in seinen Möglichkeiten der Beweglichkeit und Stagnation, der Kontrolle und Grenzüberschreitungen sind für Sara Rogenhofer der Ausgangspunkt für die Reihe der Terrestrians. Es sind keine mit spitzem Stift gefertigte surrealistischen Bilderfindungen, sondern mit breitem, den Bewegungen des Körpers entsprechendem Pinsel gemalte seismographische Niederschriften innerer und äußerer Bedingungen, Variationen von Körperbefindlichkeiten und Körpertransformationen. Wird im vorhin geschilderten Alltags-Beispiel eher zufällig, durch ein Missgeschick ein Augenblick erhöhter Körperwahrnehmung ausgelöst, so können wir sie in den Bildern der Künstlerin explizit erleben. Es sind, mit einen Ausdruck von Maria Lassnig, "body-awareness-paintings", "Körper-Aufmerksamkeits-Bilder", die das Gefühl vermitteln, nicht nur einen Körper zu haben, sondern ein Körper zu sein - ein Körper, der ständiger Verwandlung unterworfen ist. Der farbkräftige Bildgrund, aus dem die Körper zu wachsen scheinen, den sie verdrängen und der sie gleichzeitig übermalt und definiert, ist zugleich Ausdruck der Befindlichkeit dieser Körper, Ausdruck von Kraft, Schmerz oder Heiterkeit...

Aus der Serie Rosa Rauschen

Rosa Rauschen

Sara Rogenhofer, Zufallsbewegungen

Zufallsbewegungen

Die Arbeiten aus den Reihen "Rosa Rauschen" und "Zufallsbewegungen" thematisieren die Verwandlung des Körpers auf andere Weise. Dabei werden Teile des Gesichts wie die Augen oder Körperfragmente als Collagen (Laserkopien von Fotografien oder Drucke) mit anderen Papierfragmenten auf die Leinwand aufgebracht, die dann in mehreren Schichten mit Beize übermalt wurde, um den bereits demontierten Körper allmählich im Raum aufzulösen. Die neue Räumlichkeit entsteht also durch das Verschwinden des Körpers und die Reduktion der Farbpalette.

Unser Körper ist also keine feststehende Größe. Er ist vielmehr wiederum eine Schnittstelle zwischen innen und außen, Teil von uns und gleichzeitig Teil der Welt. Oder wie Peter Weibel sagt:"Die Welt ist ein Vorhang, in den wir selbst eingewebt sind," - ein Gewebe, ein Gespinst aus Erzählungen jeder Art, die die Welt und uns konstituieren, und die wir, jeder für sich, neu erzählen.

Gerade die Bilder der Terrestrians von Sara Rogenhofer sind ebenso verwoben, verdichten sich zu Erzählungen, die nicht einem vorgegebenen Programm folgen, die nicht gelesen werden können in einem eindeutigen Sinn, sondern nur von jedem Betrachter immer neu erzählt. So werden wir beim Betrachten gleichzeitig Teil dieser Bilder.

Übergang

Deutlicher noch wird dies bei der Serie der Arbeiten mit dem Titel "Das Leben ist eine Baustelle" von 1998/99. Hier paraphrasiert die Künstlerin bereits im Titel die Tatsache, dass unser Bild der Welt ein vorläufiges ist, dass wir unsere Wirklichkeit ständig neu konstruieren.

Eine Welt, deren Dimensionen gebrochen scheinen, öffnet sich dem Auge des Betrachters: Sind es auf den ersten Blick vielleicht Interieurs, in die das Auge eintaucht, kippen diese plötzlich und werden zu Draufsichten aus großer Höhe, zu Landschaftsausschnitten und gleich wieder zu einem Wirbel disparater Dinge, die keinen übergeordneten Sinn ergeben, die auch als Symbole gelesen werden können, die sich jedoch in keiner Lesart zu einer großen Erzählung fügen wollen. Die Bilder oszillieren zwischen dem Einen und dem Anderen, zwischen Einheit und Mehrheit. Die Aufmerksamkeit des Betrachters wird so auf den Malprozess selbst gelenkt, auf das Nachvollziehen der Vorgehensweise Sara Rogenhofers.

Während bei den Baustellen-Bildern der Raum aus der Verdichtung der Schichten konstruktiv aufgebaut wird, ist er bei "Eine Art zu denken" bereits brüchiger und beginnt sich aufzulösen. Der Bildraum wird flüssiger, geht vom Festen in eine bewegte Unordnung über. Das Bild aus der Reihe "Grandiose Aussichten" geht in eine andere Richtung und erzeugt eine Art Bildstörung. Ein Bildband schiebt sich mit weißen Ausblendungen und amorphen dunkelroten Formen horizontal in den grell gelben, vertikal und flüssig strukturierten Raum.

Tatsächlich versucht die Künstlerin, wie sie selbst sagt, "möglichst Heterogenes miteinander zu verbinden und diese Verbindungen dann im Malprozess zu verändern, also gewissermaßen die Schnittstellen zwischen der Fläche, dem Material und den Instrumenten lange flüssig zu halten." Dazu löst sie das Zusammenspiel der Elemente immer wieder auf und verhindert, dass sich zu schnell "Scharniere fixieren" wie sie sagt. Sie nimmt das schnell sich einstellende Ordnungsgefüge ständig wieder auseinander, hält das Fließen der Gesten, der Assoziationen und Gedanken in der Schwebe. Alles, was auf dem Bild entsteht, wächst und wuchert, es geht in einem Prozess von Interaktion und Kommunikation ineinander über. Es ist, um mit Kleist zu sprechen, eine allmähliche Verfertigung der Welt beim Malen, jedoch vorläufig, ohne Finalität. Wenn sie an einem bestimmten Punkt aufhört, dann deshalb, damit das Bild die Offenheit des Prozesses bewahrt und ihn nicht zudeckt. So können die Bilder dann auch den Betrachter in jenes Spiel hineinführen, aus dem sie nach und nach entstanden sind. Sie fordern ihn heraus, zwischen dem Standpunkt eines externen Beobachters und der internen Perspektive eines Handelnden hin- und herzuwechseln. Dabei ziehen sie eine Spur in ihm.

Die Bilder brauchen den Betrachter. Sie genügen sich nicht selbst. Sie sind nicht dekoratives Inventar, nicht statisches Gefüge von Form und Farbe. Es ist vielmehr ihr immanentes Prinzip des Übergangs, der ständigen Transformation von Farbe, Form und Gestik, was sie - zu schönen Bildern macht.

Allerdings muss dann Schönheit in einem anderen Sinn begriffen werden. Der Naturwissenschaftler Friedrich Cramer vom Max-Planck-Institut München gibt in seinem Buch "Die Natur der Schönheit" eine mögliche Antwort: "Was wir Schönheit nennen", sagt er, "gehört weder der reinen Ordnung noch dem reinen Chaos an. Sie entsteht vielmehr überall dort, wo das Chaos in die Ordnung und die Ordnung in das Chaos mündet in jenem unumkehrbaren Schritt, der sich nicht voraussehen oder berechnen und der sich daher auch nicht umkehren, nicht wiederholen lassen kann. Schönheit ist die offene, irrationale Ordnung des Übergangs, und so ist sie ihrem eigenen Prinzip nach vergänglich, fragil, gefährdet und je nur einmalig."